Editorial

Die neununddreißigste Ausgabe unserer Zeitschrift hat einen speziellen Anlaß. Im März 1998 ist nun auch in Salzburg eine Ausstellung zu sehen, die schon seit Jahren für Aufregung sorgt und wohl noch lange sorgen wird: "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944".
Egal wo in Deutschland und Österreich das Kommen dieser Ausstellung angekündigt war, schieden sich die Geister, die oft nur mehr in stereotypen Sackgassen gebändigt schienen, die da lauteten: 'Pauschalverurteilung', 'Spaltung der Generationen'  oder 'Vergangenheitsbewältigung', 'Wehret den Anfängen' usw. usf. Spätestens seit Kurt Waldheim sind uns die Geister bekannt, gar schon vertraut, nur der Blick in die Flasche will nicht gelingen, weil zumeist die Sprache versagt - im alltäglichen, wie auch im wissenschaftlichen Diskurs. Jahrzehntelanges Schweigen hatte Sprachlosigkeit zur fatalen Folge; und ohne Sprache scheitert eine Kundgebung der Gefühle. Die Stereotypien sind so begreifbar als der stete Versuch zur Harmonie, zur Erträglichkeit was nicht zu harmonisieren und nur schwer zu ertragen ist. Vernichtung und Verbrechen als Teil deutscher und österreichischer Geschichte sind in schwarz-weißen Bildern zu einer Ausstellung konzentriert. Reale Vernichtung, reale Verbrechen treten via Phantasie aus der Ausstellung in das privatime Drei-Generationen-Szenario und belegen Leerstellen des je individuellen Familienromans. Gleichsam unbeantwortbare wie notwendige Fragen tun sich auf, die Raum und Zeit benötigen, um eine neue Qualität der Auseinandersetzung im Generationendialog zu erreichen. Kein Versöhnungsfest ist angesagt, sondern die diskursive Auslotung individueller und sozialer Grenzbereiche historischer Aneignung. Soweit ich in Wien, Klagenfurt, Linz, Graz und nun auch in Salzburg persönlich feststellen konnte, war dies zu erreichen stets Hauptbestandteil im Konzept der Ausstellungs-Veranstalter. Aus diesem Blickwinkel kam der Entschluß, mit einer Schwerpunktnummer des Werkblatts, mit internationaler Beteiligung und aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, an diesem Vorhaben teilzunehmen.

K.F.