Die
braunen Federn des Vaters der Graugans. B.
Föger, K. Taschwer über Konrad Lorenz. In:
Presse Spectrum. 3. November
2001. 1973
herrschte grosse öffentlichte Aufregung. Der niederländische Zoologe
Nikolaas Tinbergen, der Wiener Bienenforscher Karl von Frisch, sowie
sein Landsmann, der Verhaltensforscher Konrad Lorenz erhielten den
Nobelpreis für Medizin und Physiologie. Letzterem galt aber nicht nur
wegen der Stockholmer Ehrung das mediale Interesse, sondern auch wegen
seiner persönlichen Vergangenheit. Doch die Aufregung legte sich
wieder. Während die Erstgenannten in den Ruhmeshallen der Wissenschaft
verschwanden, ist Konrad Lorenz als Begründer der vergleichenden
Verhaltensforschung, als ‚Vater der Graugänse’, gar als ‚Gewissen
der Nation’ noch in fast aller Munde.
Über den Mann, der mit den Tieren, den Vögeln und den Fischen
redete, redet man noch heute. Seit kurzem auch wieder über seine
Vergangenheit. Benedikt
Föger und Klaus Taschwer haben nämlich ein lesenswertes Buch
geschrieben und trotzen damit dem Aufruf verzweifelter Philosophen, nämlich
zu vergessen, indem sie mit aussagekräftigen Dokumenten den
wissenschaftlichen Karriereverlauf eines Mannes in Erinnerung rufen, der
in enthusiastischer Überzeugung den nationalsozialistischen Weg vom
antisemitisch-rassistischen Gedanken zur ‚endlösenden’ Tat
wissenschaftlich untermauerte. Der
promovierte Mediziner und Zoologe, Konrad Lorenz, fühlte sich verkannt
„unter der Regierung der schwarzen Schweinehunde“. Finanzielle Nöte,
Habilitation (für Zoologie) nur mit grossen Schwierigkeiten - auch der
ersehnte Direktorsposten des Tiergartens Schönbrunn blieb ihm verwehrt.
Mit einem Tag im März 1938 war alles anders, „wir jubelten wie kleine
Kinder – für Wissenschaftler ist es eine Erlösung“. Aber nur für
arische. Während Lorenz’ Frau „im Brigittaspital durch
Hinausschmiss polnischer Juden zur kommissarischen Leiterin der
Kinderabteilung aufgerückt“ war, wurden von ihm die freigewordenen
Stellen sondiert. Das Wiener Psychologische Institut etwa wollte Lorenz,
gemeinsam mit dem SS-Mann
Auersperg, wieder auf Vordermann bringen. Für ihn ging es nicht an,
dass „die Humanpsychologie ... merklich von dem Gedankengut der jüdisch-daherredenden
und wortschwelgenden Judengrössen durchsetzt ist. Eine der wenigen Fälle,
wo ich das Schädlingstum der Juden uneingeschränkt anerkenne“. Und für
Schädlinge hatte Lorenz sein Verständnis, das er aufgeregt zu Papier
brachte. Nicht nur für ihn war naturgegeben, dass der
ethisch-moralische Verfall mit der Domestikation des Menschen Hand in
Hand gehe. „Rassepfleger“ sollten daher den „Volkskörper vor mit
Ausfällen behafteten Elementen“ schützen. Und: „Sollte sich
dagegen herausstellen, dass unter den Bedingungen der Domestikation
keine Häufung von Mutationen stattfindet, (...) so müsste die
Rassenpflege dennoch auf eine noch schärfere Ausmerzung ethisch
Minderwertiger bedacht sein, als sie es heute schon ist.“ 1939
geschrieben, 1940 publiziert und man rief den politischen Biologen nach
Königsberg, auf den Lehrstuhl, den einst Immanuel Kant innehatte.
Ehrenamtlich folgte die Mitarbeit an der rassenpsychologischen Studie
mit deutsch-polnischen Mischlingen in Polen, über deren
eignungspsychologische Wertigkeit hinsichtlich einer möglichen Einbürgerung.
Wert-Unwert; geeignet-ungeeignet - die SS zeigte grosses Interesse.
Wenig später wollte das Konrad Lorenz nicht mehr interessieren, sondern
vergessen. Benedikt Föger und Klaus Taschwer haben ein wichtiges Buch
geschrieben, obwohl sie ihren Anspruch, das Leben und Werk von Konrad
Lorenz in den Jahren 1930 bis 1950 im Detail nachzuzeichnen, nicht ganz
erfüllen konnten. Flott geschrieben wirkt die Arbeit, oberflächlich
gerät die wissenschaftshistorische Positionierung des Lorenz’schen
Werkes, fragmentarisch bleiben die Ausleuchtungen biographischer
Interdependenzen. Trotzdem: es tut der Anerkennung der Arbeit keinen
Abbruch. Die Autoren erzählen eine nicht untypische Karrieregeschichte
während des Nationalsozialismus, die einen selbsternannt
‚unpolitischen’ Wissenschaftler zu erkennen gibt, der sich für den
Lohn gesellschaftlicher Anerkennung als Ideologe einem mörderischen
System andient. Eine Karrieregeschichte, die abermals zur ernüchternden
Erkenntnis führt: das sogenannte Böse ist banal. So wie es Konrad
Lorenz war. Benedikt
Föger / Klaus Taschwer
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