Rezensionen Im Mittelpunkt ... stehen Fallends historiographische Nachzeichnung
des politischen Verhältnisses zwischen Fenichel und Reich sowie der
"marxistischen Opposition", ferner Nitzschkes detektivische Rekonstruktion
der freudianischen Ausgrenzungspolitik gegenüber Reich in der Zeit
des offensiven Nationalsozialismus ... Mit minuziöser Genauigkeit
kann Nitzschke den Nachweis erbringen, dass ausnahmslos vereins- und bewegungspolitische
Motive für Reichs Ausschluss auf dem Luzerner Kongress für Psychoanalyse
im August 1934 verantwortlich waren.
Jenseits des persönlichen Dramas vom Aufstieg und Fall des Wilhelm
Reich ist mit diesem Namen ein Politikum verbunden, das der Psychoanalyse
nicht gut ansteht: Reichs Ausschluss aus der Internationalen Psychoanalytischen
Vereinigung beim Luzerner Kongress 1934. ... Unter traditionellen Psychoanalytikern
ist diese Causa noch immer ein heißes Eisen: Der erzwungene Ausschluss
wurde lange vertuscht und in einen freiwilligen "Austritt" umgeschrieben,
eine Sichtweise, die, gegen besseren Wissens, hartnäckig wiederkehrt.
Insofern sind die Beiträge zum Fall Reich die engagierte Dokumentation
einer Verdrängung.
Die politische Seite im Wirken Wilhelm Reichs und die Reaktion der
Psychoanalytiker darauf untersucht ... ein Band mit dem Titel "Der >Fall<
Wilhelm Reich". In ihm sind Aufsätze enthalten, die nach der Bedeutung
Wilhelm Reichs und den Umständen seines Ausschlusses (aus der DPG/IPV)
fragen. ... Das ist sozusagen ein Stück noch nicht aufgearbeiteter
Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland. Und wenn man den Fall Reich
rekonstruiert, dann kommt man an dieses Stück Geschichte der Psychoanalyse
heran, und aus diesem Grunde tun sich manche offiziellen Vertreter der
Psychoanalyse noch heute ... äußerst schwer, die Ereignisse
für sich sprechen zu lassen, sie einfach erst einmal zu rekonstruieren,
und da ist es dann eine bewährte Methode, wenn man Wilhelm Reich als
Spinner abtut. ... Eine Diskussion, die, von Reich in den 30er Jahren angestoßen,
für die Psychoanalyse heute noch nicht beendet ist.
Not only is this book based on fascinating and meticulous historical
research, but it is Nitzschke`s reappraisal of the official history that
explodes a bombshell: Heretofore we have accepted the version that the
falling out between Reich and Freud and his circle and Reich`s expulsion
in 1934 from the International Psychoanalytic Association (IPA) had to
do with Reich`s "heretical" views about psychoanalysis or because he was
mentally ill. The new data and interpretations provided by Fallend, Nitzschke,
and others show that after Freud turned hostile toward Reich in 1932, Reich
was thrown out as an undesirable because of his politically embarrassing
anti-Nazi activities. … Perhaps the events and issues raised by Fallend
and Nitzschke and the other contributors to this volume … should become
a historical lesson and an inspiration to raise the consciousness of psychoanalysts
… to the still unsettled question about the relationship between any science
and ethics, and especially between psychoanalysis and ethics.
An der hier vorliegenden kritischen Würdigung wird man in der
weiteren Diskussion um Reich nicht vorbeikommen. Vor allem wird man den
Psychoanalytikern aller Richtung das Buch zur Lektüre empfehlen können,
handelt es sich doch um Analysen der Verdrängung der eigenen Geschichte:
der Rolle der sogenannten "Linksfreudianer" und der Begleitumstände
des Ausschlusses Wilhelm Reichs aus der DPG/IPV in den Jahren 1933/34.
Der "Fall" Reich dient den Autoren als Beispiel
dafür, wie die Internationale Psychoanalytische Vereinigung und die Deutsche
Psychoanalytische Gesellschaft während des aufkommenden Faschismus versuchten,
auch politisch ihrer Abstinenzregel zu folgen, indem sie sich von ihrem
prominentesten "Linksfreudianer" trennten. Eine Überlebensstrategie,
mit der die Psychoanalyse in Deutschland ihre Auflösung selbst herbeiführte,
noch bevor der Faschismus sich ihrer leblosen Hülle bemächtigen konnte. Kompetente Autoren beleuchten ein dunkles Kapitel
der Psychoanalyse und decken die eigentlichen (bis heute verfälschten)
Gründe der Verfemung und des Ausschlusses Reichs durch eine
eingeschworene "Zunft" auf. Zentrales
Anliegen der 11 Autoren ist eine kritische Würdigung der
politischen und sexualaufklärerischen Dimension Wilhelm Reichs. Weitere Hinweise zu Rezensionen des Buches
|
||