Nitzschke, B. (Hg.) (1989)
Dem Mythos entgegentreten, dass zwischen Psychoanalyse und akademischer
Psychologie ein "unversöhnlicher Gegensatz" bestanden habe, will das
vorliegende Buch. Es tut dies auf überzeugende Weise. ... Zu Tage
gefördert werden nicht nur die eher bekannten Einflüsse von Fechner
und Brentano auf Freud, sondern auch bisher kaum beachtete, eher überraschende
Beziehungen zwischen so unterschiedlichen Psychologen wie Wundt, Stern,
Lewin, Piaget, Luria, Wygotski und Freud. ... Es entsteht ein ... facettenreiches
und faszinierendes Bild des intellektuellen Lebens, der Neugierde, Beobachtung,
Kritik ...
Der Herausgeber legt mit diesem Buch Materialien und Überlegungen
vor, die längst fällig waren und von "Kennern der Szene" längst
erwartet wurden, ist es doch so, dass die Vorstellung, zwischen der Psychoanalyse
Sigmund Freuds und der akademischen Psychologie herrsche ein unversöhnlicher
Gegensatz, nahezu nie systematisch untersucht wurde. – Zur Schließung
dieser Lücke leistet das Buch einen unverzichtbaren Beitrag ... Ein
Buch, dem im Rahmen des gegenwärtig aktuellen Versuchs, die Psychoanalyse
geschichtlich zu verstehen und aufzuarbeiten, sicherlich große Bedeutung
zukommt.
Der Gedanke, den Konflikt zwischen der akademischen Psychologie und
der Psychoanalyse Freuds nicht, wie bis zum Überdruss bereits geschehen,
von der Methodologie, der Wissenschaftstheorie oder gar dem Wetteifer um
die Gewinnung aussagekräftiger, den Gegner falsifizierender Erfahrungsdaten
her, sondern historiographisch aufzurollen, ist wohltuend. ... Die meisten
Beiträge des Buches lassen sich so als Aufforderung zur Revision eingefleischter
Fehldeutungen des Konflikts zwischen Freud und akademischen Psychologen
(in Europa) lesen.
Insgesamt zeigen die Beiträge dieses Bandes, dass es sich um
ein klassisches Vorurteil handelt, wenn behauptet wird, Psychoanalyse und
akademische Psychologie hätten nichts miteinander gemein. ... Herausgeber
und Autoren des Bandes deklarieren ihn als "kritische Hommage an Freud".
Diese Deklaration wird im ganzen vorzüglich eingelöst. Die Distanz
zur hagiographischen Entrückung ... wie zur posthumen Demontage Freuds
hat ein Buch hervorgebracht, von dem beide Seiten, Analytiker und akademische
Psychologen, lernen könnten. Wenn sie denn lernen wollen.
Es gibt in jedem Jahr eine für den einzelnen nicht mehr überschaubare
Publikationsvielfalt ... Leider findet man dabei selten Bücher, in
denen versucht wird, in fundierter Kleinarbeit zu resümieren, zu sammeln,
zu überschauen. Das vorliegende Buch leistet einen Teil dieser wichtigen
Reflexionsarbeit. ... Nitzschke hat ein Buch vorgelegt, das hilft, die
Grundlagen der Psychologie und zahlreicher ihrer Diskussionen theoriegeschichtlich
zu beleuchten.
Die Verbindungen von Psychoanalyse und akademischer Psychologie sind
inniger, als es in dem bis heute spannungsgeladenen, von gegenseitigen
Vorurteilen und Überheblichkeit geprägten Verhältnis scheint.
Dies arbeiten Herausgeber und Ko-Autoren dieses interessanten Sammelbandes
für die Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg in ihren mit Archivmaterial
sehr gut belegten Beiträgen eindrucksvoll heraus. ... Dem Buch ist
in seiner Fülle von Beobachtungen und Anregungen eine breite Leserschaft
unter Psychologen und Psychoanalytikern zu wünschen, zumal es mit
einigen Mythen aufräumt.
|
|