Josef Paneth: Vita Nuova. Ein Gelehrtenleben zwischen Nietzsche und Freud. Autobiograpie – Essays – Briefe. Herausgegeben und kommentiert von Wilhelm W. Hemecker. Leykam, Graz, 2007.

Josef Paneth (1857-1890) starb jung – und doch hat er in der Wissenschaftsgeschichte eine einzigartige Position inne: im Schnittpunkt dreier Disziplinen, der Medizin, der Philosophie und der Psychoanalyse. Als erster beschrieb er die nach ihm benannten Zellen des Körpers, die eine bakterizide und immunologische Funktion ausüben und besonders häufig am Grund der Dünndarmkrypten auftreten.

Aber auch in der Menschenbeschreibung war er Meister. Einen Freund, den er aus der gemeinsamen Studienzeit kannte, portraitierte Paneth folgendermaßen: „Er war durch Elend und durch den Gegensatz zwischen innerem Stolz und der schlechten Lage, die ihn zwang, von Anderen Geld anzunehmen, verbittert, scharf und manchmal ungerecht in seinem Urteil. Dabei von der stolzesten und besten Ehrenhaftigkeit, er hat sich nie vor Lumpenhunden gebeugt.“ Gemeint war Sigmund Freud, dem Paneth immer wieder mit Geld ausgeholfen hatte, als Freud noch am Hungertuch nagte. Freud revanchierte sich später, als er Paneth in der „Traumdeutung“ ein Denkmal setzte. Im Zusammenhang mit dem Non-Vixit-Traum heißt es dort über Josef Paneth: „[…] mein hochbegabter und ganz der Wissenschaft ergebener Freund P.“

Schließlich waren es krankheitsbedingte Lebensumstände, die zur singulären Position beitrugen, die Paneth in der Wissenschaftsgeschichte am Schnittpunkt dreier Disziplinen einnimmt. Die fragmentarische Autobiographie sowie die Briefe an die Verlobte Sophie Schwab, die Wilhelm W. Hemecker klug kommentiert herausgegeben hat, geben hierüber Auskunft: Von November 1883 bis März 1884 hielt sich Paneth wegen einer beginnenden Tuberkulose an der Côte d’Azur auf. Er forschte dort in Villefranche an der zoologischen Station über Wirbeltiere. Im nahegelegenen Nizza arbeitete damals Nietzsche am dritten Teil des „Zarathustra“. Kurz nach Weihnachten 1883 kam es zwischen ihm und Paneth, der zu Nietzsches Wiener Verehrern gehörte, zu einem ersten Treffen. Paneth beantwortete die Fragen des Philosophen über Physiologie. Und der Philosoph gewährte Einblick in seine Erkenntniskritik, „wobei wir übereinstimmten, daß das unbewußte Leben jedes Menschen so viel, unendlich viel reicher und wichtiger sei als das bewußte“, heißt es in einem der Briefe Paneths an die Verlobte.

So wurde Paneth nicht nur zum Physiologen Zarathustras, sondern auch zum Übermittler wichtiger Gedanken Nietzsches an Freud – zu einer Zeit, in der die Psychoanalyse noch längst nicht in Sicht war.

 Bernd Nitzschke, Düsseldorf